Ernemann Sander

Bildhauer und Maler

Ausstellung im Brückenhofmuseum 2010-2011Ernemann Sander

Wir zeigten von Ernemann Sander:

  • Über 50 Bronzeplastiken
  • Über 10 Reliefs
  • Über 30 Zeichnungen

Darunter waren auch Exponate, die noch nie oder schon lange nicht mehr öffentlich gezeigt wurden und drei Großplastiken aus dem Hof des Siebengebirgsmuseums.

Matthäus-Relief

Bei der Eröffnung der Sonderausstellung “KÜNSTLER VOR ORT” am 21. April 2010 hielt der Kunsthistoriker Dr. Hans M. Schmidt die Laudatio auf Ernemann Sander und sein Werk. Er stellte uns den Text zur Verfügung:
>> Ganz und gar anders und außer Konkurrenz zur Kölner Kunstmesse, der gestern Abend eröffneten „Art Cologne“, ist das, was hier das Brückenhofmuseum am Fuß der Sieben Berge mit seiner Ausstellung „Künstler vor Ort“ heute Abend präsentiert.
Maria im Weinberg
Ich denke, es ist ein sehr verdienstvolles Unterfangen gerade die Künstler, mit denen man fast nachbarschaftlich zusammen lebt, immer wieder aufs neue mit ihren Arbeiten vor Augen zu stellen und ins allgemeinere Bewusstsein zu bringen. Auch wenn das etwa im Falle von Ernemann Sander fast überflüssig erscheinen könnte, von dem schließlich viele Arbeiten öffentlich in dieser Stadt zugänglich sind, so am Rheinufer, in der Remigiuskirche, auf dem nahen Laurentiusberg, dann das schöne Standbild des Caesarius von Heisterbach hier in Oberdollendorf oder die Madonna in der Klosterruine und nicht zu vergessen der Archimedes in Oberpleis. Aber die Kunst ist eine nicht ganz einfache und kostbare Geliebte, um die man sich immer wieder bemühen muss. Und viele wissen nicht, was sie schenken kann, so dass es gut ist, wenn man mit solchen Ausstellungen, die für Jung und Alt das kreative Potenzial einer Stadt zum Vorschein bringen, die Pfade zum bereichernden Erlebnis der Kunst ebnet.
Erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, einige ganz kurze Gedanken zum Werk von Ernemann Sander. Vieles, was Sie dabei vermissen werden, können Sie in den ausgelegten und käuflich zu erwerbenden Katalogen des Künstlers nachlesen.
Als Ouvertüre zu der Ausstellung sehen Sie hier vorne im Eingangsbereich drei Bronzeskulpturen des Bildhauers, Leihgaben aus dem Siebengebirgsmuseum, die leitmotivisch schon zwei wesentliche Themen des Oeuvres anklingen lassen: die weibliche Aktfigur und das auf andere Weise lebendige Tier. Noch aus den frühen 50er Jahren stammt die „Stehende“ in satt-knospender Rundung und klarer Ponderation, die sicher objektivierte Statue einer jungen Frau, ein Werk des – so möchte man sagen – zwar deutlich noch an Maillol orientierten, doch auf seine Weise früh vollendeten Bildhauers von damals 26/27 Jahren.

Herbst

Spürbar anders die künstlerisch wie biologisch reifere Bronzegestalt von 1986. Eine Art abgeklärter Bewusstheit, ja eine Spur Introversion scheint die stärker sehnig verfasste Figur zu erfüllen, bei der man nun vor allem an Sander und nicht mehr an irgendwelche Vorbilder denkt. Das Attribut der reifen Traube vor dem Leib in ihren Händen unterstreicht den Titel der Skulptur „Herbst“. Also auch in dieser Hinsicht ein Gegensatz zu dem vorhin betrachteten Werk.
Das Windspiel, mit dem der Künstler sich in den 70er Jahren vielfach befasst hat, verdeutlicht in seiner feinnervigen Gliederung und tierischen Kreatürlichkeit, der man mancherlei Witterung zutraut, wie nahe dieser Bildhauer der spezifischen Wesenhaftigkeit des Tieres gekommen ist. Sander gehört zweifellos zu den herausragenden Tierplastikern, und das ist nur eine Facette seines Werks, womit er etwa an August Gaul und ähnliche Meister anschließt.
In dieser Ausstellung, die in ihrer Vielfalt seine reiche Palette dicht und konzentriert vor Augen stellt, werden Sie das zumal bei den Tierplastiken bestätigt finden, die im übrigen immer den größeren Maßstab in sich tragen, selbst wenn sie bis ins kleinplastische, ja fast bis zum Handschmeichler reduziert sind. So finden Sie hier eine Bandbreite vom Pferd und Nashorn bis hin zum Pinguin und Frosch. Man möchte meinen, dass diesem Plastiker mit seinem offenen Blick für die Schöpfung kein Lebewesen zu gering war.
Fürchten Sie nun nicht, meine Damen und Herrn, dass wir auf diese Weise die Fülle der Exponate betrachten wollen. Erlauben Sie mir der Kürze halber zusammenfassend neun knappe Sentenzen:

  • 1. Die Kunst ist in der Familie Sander allein schon durch die Gene zu Hause, was man heute beispielsweise sogar bei den Enkelkindern des Bildhauers feststellen darf. Und die Bemerkung von Adolf Menzel, Kunst sei 99 % Fleiß und 1 % Genie, halte ich für einseitig übertrieben. Ernemann Sander, der quasi im Vorschulalter begonnen hat, hat vor allem, jetzt in der Mitte seines 9. Jahrzehnts, noch einen wichtigen Zweck seines Daseins, wofür die aktuellen Zeichnungen sprechen, die jeden Samstag entstehen und von denen einige hier zu sehen sind.
  • 2. Die Themen: Es sind primär Menschen, als Einzelfiguren, besonders Frauen (der weibliche Akt ist ihm die unmittelbare Signatur des Lebens), dann natürlich auch Gruppen – bei oft fließenden Grenzen zwischen realistisch, allegorisch und symbolisch, biblisch und mythologisch. Eine Tänzerin kann zu einer Gottesmutter mutieren. Sander liebt wie auch im täglichen Umgang die Lebendigkeit des Erzählerischen. Dabei fließen dann öfter auch Impulse eindrucksvoller Kollegenwerke mit ein, ob von Dürer oder Ingres usw. Man kann das Paraphrasen nennen. Die Kunst des Reliefs, worin Sander Meisterliches vorzuweisen hat, ist dabei das bevorzugte Medium.
  • 3. Im Ausdruck und in der Aussage seiner Arbeiten tritt vor allem das Glück des Irdischen, die Diesseitigkeit, geistig durchdrungene Sinnlichkeit maßgeblich in Erscheinung.
  • 4. Meister E.S. (es gibt einen prominenten Kupferstecher dieses Namens im 15. Jh.) ist in erster Linie nicht Holz- oder Steinbildhauer, sondern modellierender Plastiker.Er schafft seine Figuren in Wachs für das Wachsausschmelzverfahren zum Bronzeguss, eine alte, traditionelle Technik. Ein eigenes Kabinett ist in der Ausstellung dem Sohn des Künstlers vorbehalten, Friedemann Sander, denn er ist sein Gießer, und dort kann man Genaueres und anschaulich über die Technik erfahren.
  • 5. Ernemann Sander ist aus einem ganzheitlichen Sehen und in sicherem Umgang mit der Linie ein bedeutender Zeichner, dessen Blätter mehr sind als Fingerübungen oder vorbereitende Studien. Dass er in jungen Jahren manchmal sein Brot als Karikaturist oder Werbegraphiker verdient hat, soll hier nicht unerwähnt bleiben.
  • 6. Viele herausragende Werke des Künstlers befinden sich, wir deuteten es eingangs an, im öffentlichen Raum, stets im richtigen Maß und gut proportioniert an ihrem Platz (kein Nippes und auch nichts Monströses!), z. B. in Bonn, Königswinter, Bad Honnef, Grennchen, Bad Oeynhausen, Jena, Worms (der Gründungsbischof Burchard etwas überlebensgroß auf der Freitreppe zum Dom) usw. Es sind Wegzeichen für das kollektive Gedächtnis. In der Ausstellung treffen Sie auf eine entsprechende Dokumentation.
  • 7. Sander ist auch ein bemerkenswerter Portraitist (u. a. Bundespräsident Karl Carstens). Wie bei vielen seiner Arbeiten spielte es natürlich hier oft auch eine Rolle, ob ihm der Auftraggeber lag oder nicht.
  • 8. Ein eigenes Kapitel wäre die Frage: Ernemann Sander und die Kunst seiner Zeit? Die nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland bzw. in der Bundesrepublik vorherrschende Abstraktion (Informel, Minimal Art etc.) hat ihn nicht wirklich tangiert. Ein Beispiel wäre in der Ausstellung aus der Sammlung von Pfarrer Kalckert (in dem Kabinett gleich beim Eingang links) der hl. Sebastian, aber diese Arbeit blieb eines von wenigen Experimenten vom Anfang der 60er Jahre. Seine spezifische Lebenserfahrung (NS-Zeit, DDR, dann Bundesrepublik) bedingte wohl seine eigentümlich widerständige Haltung. Er war und ist ein Unzeitgemäßer, doch kein „Arrière-Gardist“, wie er mir vor wenigen Tagen sagte, und gewiss auch kein verschrobener Idealist. Vielleicht doch eher ein vitaler Realist. Seine eigene Spur verläuft nicht fernab von der eines Gerhard Marcks, mit dem er bekannt war, oder eines Hans Wimmer.
  • 9. Die Kunst von Ernemann Sander ist nicht monologisch oder gar autistisch, sondern ganz besonders dialogisch . Er hat Zwiesprache mit seiner Welt gehalten und tut es immer noch.

Akt

Ich komme zum Schluss. Wenn wir als Betrachter ihm dabei folgen, kann Kunst zu einer leuchtenden Markierung auf einer wunderbaren Route werden – vor Ort und anderswo.
Am Ende gestatten Sie mir bitte noch einen Appell, der mir am Herzen liegt, an die Stadt Königswinter, das Siebengebirgsmuseum und an den Träger dieses interessanten Museums, den Heimatverein. Kümmern Sie sich – vielleicht in einer gemeinsamen Aktion – mit dem Künstler bzw. mit seiner Familie um den Erhalt des Riesenkonvoluts seiner Zeichnungen, ein ganz besonderer Schatz. <<

Die Laudatio zu Ernemann Sander als Film - Teil 1:

pfeil youtube
- Teil 2: pfeil youtube

Schmidt

Den Film hat Georg Divossen - Verlag & Medien Service - St. Augustin gedreht;
Guido Breuer - Mediaplex Königswinter - hat ihn für YouTube bearbeitet.

Weitere Informationen über das Werk von Ernemann Sander im Virtuellen Museum

Ernemann Sander bei WIKIPEDIA

Zum 85. Geburtstag - Ein Bericht im GENERAL-ANZEIGER (2010)

"Ein neuer Michael mit altem Kopf" - DIE WELT (2003)

Einweihung des Eselsbrunnen in Königswinter (1984):

pfeil youtube

 

 

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